Die beste Zeitung der Schweiz

79 Mitarbeiter verlieren ihre Stelle +++ Die Schweiz verliert mindestens ein wichtiges Printerzeugnis +++ Die Schweizer verlieren ihr Recht auf eine eigene Meinung +++ Und das Komitee „Rettet den Bund“ wird zum Totengräber der eigenen Bedürfnisse. So oder ähnlich könnte man die Beschlüsse von gestern zusammen fassen.

Wie gesagt (WTF): Es bedurfte noch der GV, die Beschlüsse lagen längst auf dem Tisch, gestern konnten sie dann auch endlich kommuniziert werden. Die Angestellten der TA-Media wissen allerdings immer noch nicht genau, wen es treffen wird.
Damit das Ausmass der Misere auch klar ersichtlich ist, versuchen wir die Ereignisse anhand eines Interviews mit Verwaltungsratspräsident Pietro Supino nachzuzeichnen. Ein Mensch, der uns zunehmend unsympathischer wird, da er seine Entscheidungen offensichtlich aufgrund von Launen und Annahmen fällt, nicht aber basierend auf Tatsachen wie folgende Ausführungen nahelegen. Wir beziehen uns auf folgendes Interview: Das muss die beste Zeitung der Schweiz werden.

Tatsache ist: Bund und Tages Anzeiger fusionieren in Bern. Die Zeitung wird wohl weiterhin Bund heissen, aber aufgrund des „Textsharing“ vom Raster her  mit dem Tages Anzeiger identisch sein. Das wird sich auch aufs Layout niederschlagen. Der Tund, wie wir ihn fortan nennen, wird zwar noch einen eigenen Bernteil haben, ansonsten aber ein Tages Anzeiger sein und auch so aussehen, egal was man im Hause TA-Media derzeit behauptet.

Eine sehr unglückliche Rolle kommt laut Supino dabei dem Komitee „Rettet den Bund“ zu. Denn:“es hat uns darin bestärkt, in Bern etwas für die Medienvielfalt und die Menschen zu tun, die den «Bund» nutzen. Aber die Tatsache, dass das Komitee nur 16’000 Unterschriften gesammelt hat, hat bei uns gewisse Zweifel aufkommen lassen.“ – Wir übersetzen: Das Komitee hat den Verwaltungsrat in der Annahme bestärkt, dass Bern keine zweite eigenständige Zeitung braucht. Und nicht nur das: „Jetzt wird es darum gehen, dass die Leute, die sich im Komitee oder auch sonst für den «Bund» eingesetzt haben, den Worten Taten folgen lassen, den «Bund» auch tatsächlich abonnieren werden und auch bereit sind, eine leicht höhere Abonnementsgebühr zu bezahlen.“ Auch hier übersetzen wir: Wir nehmen euch die Zeitung weg, weil wir das Produkt aber weiterhin Bund nennen, dürft ihr jetzt auch etwas mehr dafür bezahlen.
Ein hervorragender Schuss in den Ofen. Supino ist, zumindest zwischen den Zeilen gelesen, ein richtiges Arschloch.

Inhaltlich halte ich es mit der Stellungnahme des Verbandes Impressum: „Der Verband zeigt sich enttäuscht „über die einseitig auf Aktionärsinteressen ausgerichtete Strategie von Tamedia“. Der Verwaltungsrat setze auf höhere Renditen durch Pendlerzeitungen und online-Portale. Anstatt die Herausforderung zu wagen, die Qualität der Traditionszeitung „Tages-Anzeiger“ wettbewerbsfähig zu halten, stelle Tamedia das journalistische Fundament seines Stammblatts aufs Spiel.
Übersetzt heisst dies: Tages Anzeiger und „News“ teilen sich den Newsroom. Die Inhalte von Newsnetz werden vermehrt über News auch in den Tages Anzeiger einfliessen. Die Meinungsvielfalt in der Schweizer Zeitungslandschaft wird ausgedünnt. Schon heute lässt sich die Anzahl Zeitungen mit eigenen Meinungen und Kommentaren an einer Hand ablesen. Mindestens eine davon können wir ab 2010 getrost ausser acht lassen. Ob der Tages Anzeiger noch weiterhin mit profilierten Kommentaren aufwarten kann, die nicht nur das linke und rechte Seeufer betreffen, bleibt abzuwarten.

Zusammenfassend kann man sagen: Das war der Abstieg der Schweiz in die Nationaliga B der europäischen Meinungsmacher. Wir haben ausser der NZZ kein einziges Printprodukt mehr, dass man über die Grenze hinweg beachten müsste. Ueli Maurer und Pietro Supino haben zudem eines gemeinsam: Den Hang zur Utopie. Beste Zeitung der Schweiz my ass.

5 Antworten zu “Die beste Zeitung der Schweiz

  1. Dose E.S.K

    So. Und bevor jetzt noch einer rum gurkt: motzen kann jeder, aber Alternativen hatte keiner – möchte ich folgendes gesagt haben:

    Ja, Zeitungen sind derzeit ein hartes Business. Und hochprofitabel ist das Zeitungsbusiness schon lange nicht mehr für alle. Wenn wir allerdings das Wenige, das uns vom Papier seit Gutenberg geblieben ist, noch kaputt sparen, dann können wir die den Rest eigentlich auch gleich einstampfen.
    Wir können uns nicht auf der einen Seite über moralischen Zerfall und mangelnde Aufmerksamkeit für relevante Fragen beklagen, die Jugend als dumm brandmarken und die Politik als Regierung einer unbeachteten Minderheit bezeichnen und gleichzeitig den Bereich kürzen, der in den letzten knapp 600 Jahren für Bildung, Diskurs und kulturellen Fortschritt verantwortlich war. Das ist ein Teufelskreis.

    Ich erinnere, ja ich mahne und bitte jeden und jede Managerin sehnlichst, sich folgende Worte zu Herzen zu nehmen. Verleger und Verlagsmanager sind keine einfachen Manager. Sie sind, im Vergleich zu einem Industrieunternehmen nicht nur den Aktionären verpflichtet. Verlagsmanager sind auch Hüter und Garanten des Diskurses. Sie tragen eine moderne kulturelle Verantwortung – auch wenn das so gar nicht in das Bild des „modernen“ Managers passt.

  2. Muss man diese Aussage von Supina verstehen: „…dass uns die Medienvielfalt sowie die lokale und regionale Verankerung unserer Medien wichtig sind. Das ist mein Credo, unser Unternehmen profitiert letztlich auch von einem reichen Zeitungsmarkt…“

    oder diese Aussage: „Das Ziel ist es, dem «Bund» weiterhin ein eigenes Erscheinungsbild zu geben. Aber damit die Zusammenarbeit mit dem «Tages-Anzeiger» effizient sein kann, werden sich beide Zeitungen vom Layout her weiterentwickeln und angleichen müssen.“

    Ich sehe darin nur Wiedersprüche.

  3. Rotcod Evil

    amen. yes to all here.

    das neue ding wird weiter grausam bachab gehen mit den leserzahlen – und so was von irrelevant sein im vergleich zu dem, was der tagi mal war. nur wer in seinen kernkompetenzen stark und einzigartig bleibt – und dafür hätte der verlag das geld ja – kann im print überleben. ja, es ist ein harter fight. aber die kallschläger, suprinos, walderaner und ringers, die fighten ihn kurzfristig gewinnmaximierend und medienzerstörerisch auf der einen, mut- und ideenlos auf der anderen seite.

  4. Die Gesamte Zeitungslandschaft weltweit leidet und man weiss einfach nicht, was zu tun ist. Naja, hoffen wir auf bessere Zeiten für Alle.

  5. Pingback: Die beste Zeitung der Schweiz Teil II « Hose&Dose

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